Praxisfelder des bürgerschaftlichen Engagements V

Lokale Print-Medien. Wie Ältere eine Zeitung nach ihrem Geschmack machen

In Bremen beschließt eine Gruppe gewerkschaftlich aktiver Senioren eine eigene Zeitung herauszugeben. Anlass ist die zunehmende Unzufriedenheit darüber, dass in gewerkschaftlichen Publikationen Lebenswelt und Interessenlage der Älteren fast ausschließlich im Zusammenhang mit Themen wie Altersicherung, Gesundheitsreform, Seniorenausflüge abgehandelt, mithin sehr verkürzt dargestellt wird.

Natürlich werden diese Themen als wichtig empfunden, gleichzeitig – so die Meinung der Gruppe – ist das Informationsbedürfnis älterer Menschen aber weit komplexer und geht gerade heute – mit demWandel der Zeit und demWandel des Alters in der Gesellschaft – weit über die genannten Themen hinaus.

Die Kritik macht sich außerdem fest an den meist überholten Bild- und Rollenvorstellungen vom Alter selbst in Gewerkschaftszeitungen. Auch die dort vermittelten Bilder trügen zur Zementierung von alten Klischees bei. Im Gegensatz dazu soll die von der Gruppe geplante Zeitung ein verändertes, zeitgemäßeres Bild älterer Menschen vermitteln.

Ein kleinerer Teil der SeniorInnen, die hinter der Zeitungsprojekt-Idee stehen, haben schon Beiträge für eine Zeitung verfasst; für die meisten ist das Zeitung machen jedoch ein neues Betätigungsfeld. Sie haben keine Erfahrung im Schreiben oder beim redaktionellen Bearbeiten von Texten. Das MoQua-Projekt gibt deshalb den Anstoß zur Gründung einer festen Redaktionsgruppe, in der sich vier ältere Männer und vier ältere Frauen engagieren und eine altengerechte Zeitung von Senioren für Senioren auf den Weg bringen wollen.

Inhaltliche Schwerpunkte

Ziel und Schwerpunkt der Qualifizierung ist es zunächst, sich das nötigeHandwerkszeug zum Erstellen einer Zeitung anzueignen. Dazu finden zweitägige Blockseminare zu folgenden Themen statt:

  • Kreative Schreibwerkstatt
  • Journalistische Gestaltungsmittel
  • Technische Herstellung /Lay-Out
  • Redaktionswerkstatt, Themenauswahl

Parallel dazu setzen sich die TeilnehmerInnen auf einem Wochenseminar mit dem Thema: „Altersleitbilder/ Senioren in den Gewerkschaften“ auseinander. Die kritische Auseinandersetzung mit diesen Fragen soll als ein ständiges Thema in allen Ausgaben der geplanten Zeitung vorkommen. Die Inhalte und didaktisch-methodische Anregungen dieser Arbeitseinheit sind in den vorstehenden Weiterbildungseinheiten „Demographischer Wandel – eine veränderte Kultur des Alters“ und den anderen Angeboten im „Basiswissen“ beschrieben.

Didaktischer Kommentar

Die Qualifizierung ist auf Nachhaltigkeit angelegt. Nach der Seminarphase findet deshalb alle 14 Tage eine Redaktionssitzung statt. Hier können die beteiligten SeniorInnen das Gelernte praktisch anwenden. Dieses „Learning by doing“ wird von einem professionellen Journalisten begleitet – solange bis die Gruppenmitglieder über genug Routine verfügen, ihre Zeitung eigenständig und ohne Anleitung zu erstellen.

Reflektierte Erfahrungen

Die Gruppe arbeitet mittlerweile selbstständig und selbstorganisiert. Sie gibt die Zeitschrift „Wir“ heraus, die vierteljährlich erscheint. Ursprünglich wurde sie aus Projektmitteln finanziert, mittlerweile ist ein neuer Geldgeber gefunden, so dass Bestand, inhaltliche Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit auch künftig gewährleistet sind. Das ist ein gutes Beispiel für dauerhafte, interessenbezogene und nicht zuletzt gemeinwohlorientierte SeniorInnen-Bildungsarbeit.

 
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Engagementfeld Lokale Printmedien

Materialien und methodische Beispiele

Finanzielle Ressourcen

Titel: WIR, auch in Zukunft!

Ziel: Die finanzielle Zukunft der Zeitung sichern

Methode: Kleingruppen, Plenum, Aufgabenmanagement

Dauer: 1,5 bis 2 Stunden

Beschreibung:

  • Drei Arbeitsgruppen erarbeiten folgende Fragen zur Kostenstruktur:
    1. Was kostet die Herausgabe der Zeitung zur Zeit?
    2. Wo gibt es möglicherweise Einsparpotential?
    3. Welche Geldgeber könnten die Zeitung potentiell finanziell unterstützen?
  • Die Ergebnisse werden im Plenum dokumentiert. Gemeinsam werden daraus die anstehenden Aufgaben abgeleitet und in einem Arbeitsprotokoll festgelegt: WER - MACHT WAS - BIS WANN
  • Außerdem wird die Frage geklärt: Welche Unterstützung braucht die Gruppe, um Unterstützer zu finden
  • In der übernächsten Redaktionssitzung werden die Arbeitsergebnisse vorgestellt

 
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Engagementfeld Lokale Printmedien

Originalzeitungsnotiz:

Nordenham – Ein Reiter (34) ritt über den Blexener Deich. Plötzlich scheute das Pferd, warf den Reiter ab und galoppierte davon. Der Reiter suchte vergeblich nach dem Tier. Erst abends kam das Pferd munter zum Stall zurückgetrabt.

Was eine Teilnehmerin daraus machte:

Am Weserstrand das Blexer Land manch Urlauber es dort erholsam fand. Urlaub auf dem Bauernhof war angeboten mit vielen Tieren auf vier Pfoten. Der Reiterstall war die Attraktion; mit sanften Rössern voll. Einst wollte sich beweisen schick ein Urlauber aus Sebaldsbrück. Das zahme Ross bestieg er munter, ritt auf dem Blexer Deichrauf und runter. Als ein großer Dampfer gab Signal, stieg hoch das Ross Oh Qual! Der Reiter ging zu Boden, er hatte keine Wahl. Vom Ross sah er nur die Hinterhufe, da half auch kein Halt-Gerufe. Der Sebaldsbrücker hatte Glück; abends kam das Pferd zum Stall zurück.

Ein weiterer fühlte zu Folgendem inspiriert: Da reitet ein Reiter wie kein Zweiter so schnell durch Nacht und Wind Nur in den Armen hält er nicht sein Kind. Er hält unterm Mantel zwei Flaschen Bordeaux, denn daheim brennt der Kamin lichterloh.
Die Gäste sitzen zusammen und warten auf den Bordeaux zum Weihnachtsbraten. Doch plötzlich steigt in die Eisen der Schimmel, dem Reiter verkehren sich Erde und Himmel.
Er stürztt und hätt`fast das Bewußtsein verloren, die Flaschen schlagen ihm um die Ohren.
Und er kullert in Scherben den Deich hinab. Der lustige Schimmel setzt sich in Trab Und dreht voller Stolz ein paar Ehrenrunden, der Reiter brauchte nach Hause der Stunden.
Er hatte am Steisse sich weh getan und kroch als Vierbein zur Weihnacht heran. Zu berichten wäre noch über den Fall:
Der Hengst kam brav zurück in den Statt, nachdem er die himmelhochheilige Nacht mit einigen Stuten zugebracht.

Materialien und methodische Beispiele

Ein Blick in die Schreibwerkstatt

Titel: Eine Zeitungsnotiz und ihre kreative Bearbeitung

Ziel: Die eigenen Schreibgewohnheiten überwinden, lebendige Sprache und einen neu inspirierten Schreibstil finden

Methode: Brainstorming, PartnerInnenarbeit

Dauer: 1,5 Stunden

Beschreibung:

  • Die 2er Gruppen machen ein Brainstorming zu der Frage: An was denken Sie, wenn Sie diese Zeitungsnotiz lesen? Bitte alle Ideen unkommentiert und stichwortartig notieren. Ca. 5 bis 7 min.
  • Anschließend einigen sich die beiden PartnerInnen ob jede etwas eigenes aus dem Ideenfundus schreibt, oder ob beide zusammen einen Text kreieren. Ca. 30 min
  • Alle Texte werden im Plenum präsentiert und diskutiert

 
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Checkliste:

Die Themen und WIR

  1. Brainstorming: ca. 5 –7 Minuten, Themenstichworte auf Metaplankarten dokumentieren. Anschließend wählt die Gruppe ein Thema aus. Mögliche Auswahlkriterien:
  2. Welche Artikel, Interviews, Berichte und Kommentare passen zum Thema. Argumente, Inhalte und Informationen auf Wandzeitung dokumentieren. Es kann meist für das Editorial und die Einführung verwendet werden und ist gleichzeitig Konzept zur „Verteidigung“ des Schwerpunktthemas im Redaktionsteam.
  3. Überprüfen ob das Thema für die LeserInnen interessant ist. (Zielgruppeneignung)
  4. Welche Recherche-Arbeiten werden vermutlich nötig
  5. Erste vorläufige Einschätzung von Gewichtung, Umfang und Reihenfolge der Themen.

Materialien und methodische Beispiele

Ein Blick in die Redaktionswerkstatt

Titel: Die Themen und WIR

Ziel: Konzept und Struktur für die Herausgabe einer Zeitung entwickeln, selbständige journalistische Arbeit schulen

Methode: Kleingruppenarbeit, Brainstorming, Metaplan,Redaktionssitzung im gesamten Team, Supervision mit professionellem Journalisten

Dauer: Eine Redaktionssitzung, 2 bis 2,5 Stunden.

Beschreibung:

  • Arbeit in Kleingruppen. Maximal drei Gruppen. Jede Gruppe erarbeitet mit Hilfe der Checkliste ein Thema, das unbedingt das Schwerpunktthema der nächsten Ausgabe werden muss. Ca 1 Stunde
  • Alle Gruppen präsentieren ihr Thema dem gesamten Redaktionsteam und begründen, warum ihr Thema auf die Titelseite kommen und Schwerpunktthema der nächsten Ausgabe werden soll. Das gesamte Redaktionsteam entscheidet, welches der drei Themen am geeignetesten ist. Im Zweifelsfall ist der begleitende Journalist das „Zünglein an der Waage“, auf Grund fachlicher Überlegungen. Möglicherweise ist das Thema, das auf Platz zwei landet auch für die nächste Ausgabe geeignet
  • Weitere Zeit- und Arbeitsabsprachen siehe auch Engagementfeld Bürgerradio: Vom Chaos in die Ordnung

 
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Engagementfeld Lokale Printmedien

Auswahl veröffentlichter Artikel aus der Zeitung „Wir“

  1. Von übervoll zu ‚überalt‘: Über das Zerrbild der Alten in unserer Republik
  2. Adoptiere Oma! Zum Bremer Altenplan 2005
  3. Bremen und Rostock, eine Partnerschaft seit vielen Jahren
  4. Meine Straße ist mein Zuhause geworden!
  5. Großmutter, warum erzählst du uns nie vom Krieg?
  6. Naturschutz und Ehrenamt! Ein Thema für DGB-Senioren
  7. Lernen hat kein Alter: Ausgewählte Bildungsangebote für ältere ArbeitnehmerInnen

Materialien und methodische Beispiele

Die Redaktion und die Themen für Ältere

Titel: Facettenreiche SeniorInnenbilder

Ziel: Themen finden

Methode: Brainstorming, Metaplan

Dauer: 20 min

Beschreibung:

  • Brainstorming in der Großgruppe zu der Frage: Was bewegen Ältere in der Gesellschaft. max. 10 min
  • Die Moderation notiert die Stichpunkte auf Metaplan-Karten
  • Anschließend werden mögliche, identische Stichpunkte zu Themengruppen zusammen gefasst.
  • Themengruppen dienen als Ideen-Kiste für die Artikel der kommenden Ausgaben.

MoQua Praxisfeld 5 als PDF herunterladen

 
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